Ein Naturfreund hat zweifach die Gelegenheit, mit den Bienen unschwer eine Bekanntschaft zu machen: geht man an einem warmen Frühlings- oder Sommertag an einem blühenden Obstgarten oder einer blumigen Wiese entlang, so sieht man, wie sie sich an den Blüten zu schaffen machen; und wenn man an einem Bienenstand eines Imkers vorbei kommt, so sieht man sie dort an den Behausungen aus und ein fliegen.
Es können ein paar Dutzend oder mehr als hunder Bienenvölker sein. Der Imker kann sich auch, wenn er will, mit nur einem einzigen Volk begnügen. Aber man kann keine kleinere Einheit haben als ein Bienenvolk, zu dem viele tausend Bienen gehören. Der Landwirt kann eine Kuh, einen Hund und wenn er will ein Huhn, aber keine einzelne Biene halten, sie würde in kurzer Zeit zugrunde gehen. Das ist nicht selbstverständlich, es ist sogar verwunderlich. Denn wenn man sich in der Verwandschaft unserer Honigbienen umschaut, so ist ein solches Zusammenleben nicht alltäglich.
Bei den Schmetterlingen, Käfern, Libellen sehen wir Männchen und Weibchen sich zur Paarung kurz zusammenfinden, um sich schnell wieder zu trennen, und jedes der Tiere geht seinen eigenen Weg. Das Weibchen legt seine Eier an einer Stelle ab, wo die schlüpfenden jungen Tiere Futter finden, es findet jedoch keine Pflege statt und seine eigenen Jungen lernen die Eltern oft gar nicht kennen, denn bevor die Brut schlüpft sind die meisten Eltern schon tot.
Würde mann Abends, wenn alle Flugbienen zurückgekehrt sind, den Bienenstock öffnen und den ganzen Inhalt auf einem Tisch ausbreiten, wieviele Bewohner würden wohl zum Vorschein kommen?
Nimmt man sich die Mühe und zählt sie, so würden es im Sommer zwischen 40000-60000 einzelne Bienen sein, etwa so viele Bewohner wie die Einwohnerzahl einer mittelgrossen Stadt. Zum Vergleich, das Städtdreieck (Burglengenfeld, Teublitz, Maxhütte-Haidhof) hat zusammen im Jahr 2017, Rund 31000 Einwohner.
Auf den ersten Blick sehen alle untereinander gleich aus. Jeder Bienenkörper ist deutlich in drei Teile gegliedert, am Kopf befinden sich seitlich die grossen Augen, unten der Mund und an der Stirn zwei Fühler, die bei allen Insekten zu finden sind. An der Brust sitzen seitlich zwei Paar Flügel und unten drei Paar Beine, mit ihr durch eine schlanke Taille verbunden ist der Hinterleib.
Bei genauem Ansehen bemerkt man jedoch einen Unterschied zwischen den Tieren.
Eine Biene ist dabei, die sich durch ihren langen und schlanken Hinterleib von allen anderen Bienen unterscheidet. Das ist die Königin, an ihr in erster Linie hängt das Wohl und Wehe des Bienenvolkes, denn sie ist das einzige vollentwickelte Weibchen im Bienenstaat, die alleinige Mutter der riesigen Bienenfamilie.
In grösserer Zahl findet man andere Bienen, die sich durch einen dicken, plumpen Körper und besonders grosser Augen auszeichnen, das sind die männlichen Bienen, die Drohnen. Drohnen sind nur im Frühjahr und Sommer im Bienenvolk anzutreffen. Alle anderen Tiere sind Arbeitsbienen, sie bilden die grosse Masse des Volkes. Es sind auch weibliche Tiere, doch legen sie unter normalen Umständen keine Eier, gerade diese Fähigkeit, in der sich bei der Bienenkönigin und bei anderen Insekten das weibliche Geschlecht am deutlichsten offenbart, ist bei den Arbeiterinnen verkümmert. Dagegen sind bei der Arbeitsbiene die mütterlichen Triebe der Führsorge für die Nachkommen in einer bei den Insekten unerhörten Weise entfaltet, und sie nehmen der Königin, die dafür gar keinen Sinn hat, diese Arbeit völlig ab. Die Königin legt, die Arbeiterinnen pflegen die Eier. Auch für die Sauberkeit und Reinlichkeit im Bienenstock sorgen die Arbeitsbienen, sie entfernen Abfälle, sie sind die Baumeister in der Bienenwohnung, sorgen für die Wärme im Stock, Verteidigen zum Wohle des Volkes und schaffen Nahrung herbei und übernehmen ihre Verteilung, alles Arbeiten mit denen sich die Königin und die Drohnen nicht abgeben.
So sind im Bienenvolk alle aufeinander angewiesen und für sich allein nicht fähig, sich zu erhalten.
Das junge Huhn, das aus dem Ei schlüpft, ist in mancher Hinsicht noch ein unentwickeltes Ding, aber im grossen und ganzen gleicht es doch den Eltern und hat wie diese schon seine Flügel, Beine und Augen. Aus dem Bienenei aber kommt ein kleines weisses Würmchen, das mit der Bienenmutter nicht die geringste Ähnlichkeit hat, ohne Kopf und ohne Augen, ohne Flügel und ohne Beine.
Bienenei
Bienenlarve
Das Vögel geflügelt aus dem Ei schlüpfen, Insekten aber als ungeflügelte, oft wurmähnliche Larven, hat seinen Grund. Insekten tragen keine Knochen, sie besitzen stattdessen eine festen Hautpanzer, der aus Chitin und Eiweiss besteht. Er verbindet Festigkeit mit grosser Leichtigkeit.
Königin bei der Eiablage
Wenn man zu günstiger Jahreszeit in einem Bienstock die Königin sucht, so findet man sie in der Regel damit beschäftigt, langsam, fast majestätisch auf den Waben herumzuspazieren und ihre Eier abzusetzen. Im Frühjahr kann eine leistungsfähige Königin in 24 Stunden etwa 1500 Eier legen, das heisst sie legt durchschnittlich Tag und Nacht jede Minute ein Ei. In Wirklichkeit hat sie auch ihre Ruhepausen, legt aber in der Zwischenzeit entsprechend rascher. Dabei sind die Bieneneier im Verhältnis gar nicht so sehr klein, jene 1500 an einem Tag abgelegten Eier haben, zusammengenommen, dass gleiche Gewicht wie die ganze Königin. Man versteht, dass sie daher für anderweitige Beschäftigungen nicht zu haben ist.
Bei der Eiablage verfährt die Königin so, dass sie zunächst ihren Kopf in eine Zelle steckt und sich überzeugt, dass sie leer und zur Aufnahme eines Eies geeignet ist. Ist das der Fall, dann senkt sie den Hinterleib in eben diese Zelle, verweilt ein paar Sekunden ganz still, und wenn sie den Hinterleib wieder hervorzieht, erkennt man am Grunde der Zelle das längliche Ei.
Bienenei (Tag 1-3)
Ein frisch gelegtes Bienenei steht den ersten Tag förmlich am Boden der Zelle, es neigt sich jedoch mit dem Älterwerden. Am 2. Tag nach der Ablage neigt es sich um 45° und am dritten Tag liegt es ganz am Boden der Zelle.
Larvenstadium (Tag 4-6) und Rundmadenstadium (Tag 6-9)
Aus dem nun liegendem Ei schlüpft nach drei Tagen die kleine weisse Made. Sie wird sogleich in ihrer Zelle von den Arbeitsbienen mit Futter versorgt und entfaltet einen solchen Appetit, dass sie binnen sechs Tagen ihr gesamtes Wachstum vollendet. Ihr Gewicht nimmt in diesen sechs Tagen um mehr als das 500-fache zu.
Streckmadenstadium (Tag 9-10)
Nun folgt das Stadium der äusseren Ruhe, in dem sich die Verwandlung der Made in die fertige Biene vollzieht. Die Arbeitsbienen bauen jetzt über die Zelle ein zartes, gewölbtes Deckelchen aus Wachs, und gleichsam als wollte sie auch ihrerseits betonen, dass sie ungestörte Ruhe braucht, webt die Made von innen her unter diesem Wachsdeckelchen noch ein dichtes Gespinnst, entsprechend dem Kokon, den viele Schmetterlingsraupen vor ihrer Verpuppung anfertigen.
Vorpuppenstadium (Tag 10-12)
In der geschlossenen Zelle verpuppt sich die Made.
Puppenstadium (Tag12-21)
Tag 21 Schlupf der ausgebildeten Arbeitsbiene
Genau 3 Wochen nach der Ablage des Eies, wird der Deckel aufgebrochen und die fertige, geflügelte Biene steigt aus ihrer Zelle heraus.
Bisher wurde von der Arbeiterinnenbrut gesprochen und dabei nicht beachtet, dass ja die dreierlei Wesen, die wir im Volk gefunden haben: Königin, Drohn und Arbeiterinnen, aus der Brut hervorgehen müssen. Die vorher beschriebenen Angaben über die Entwicklungszeiten gelten tatsächlich nur für die Arbeitsbienen. Die Königin braucht etwa 5 Tage weniger, die Drohnen etwa 3 Tage länger, um aus dem Ei zur fertigen Biene zu werden.
Das Frühjahr, die Zeit des Blühens und des reichsten Futtersegens, ist auch die Zeit des stärksten Brutansatzes. Bei der raschen Entwicklung der Maden führt das eifrige Eierlegen der Königin zu einer schnellen Vermehrung der Bienen und hierdurch zu einem raschen Erstarken des Volkes, aber nicht unmittelbar zu einer Vermehrung der Völker, denn jedes Bienenvolk ist ja mit seiner Königin ein geschlossener "Staat" und aus der Brut wächst nur die Zahl der Bürger.
Es müssen sich aber auch die Völker als solches vermehren. Denn nicht selten geht eines durch Krankheit, nach einem schlechten Sommer oder durch Missgeschick zugrunde, und würden nicht andererseits neue Völker entstehen, so gäbe es bald keine Bienen mehr.
Ein neuer Stock braucht eine neue Königin, erst wenn für diese gesorgt ist, kann sich das Volk als solches vermehren, und dies vollzieht sich durch das "Schwärmen" der Bienen. Die Vorbereitungen hierfür geschehen in aller Stille. Zumeist im Mai legen die Arbeiterinnen einige Königinnezellen an und ziehen sich in diesen die jungen Königinnen heran. Eine würde meist genügen, aber es kann ihr ein Unglück zustossen. Die Natur kennt keine Zartfühligkeit. So werden ein halbes Dutzend oder mehr Königinnen herangezogen, von denen später die Überflüssigen oder nicht den Anforderungen entsprechen gewaltsam entfernt werden.
Etwa eine Woche, bevor die neue junge Königin aus ihrer Zelle schlüpft, schwärmt das Volk. Wieder geht der Anstoss von den Arbeiterinnen aus. Bei einem Starken Volk lagern vor dem Aufbruch die Arbeitsbienen in dicken Klumpen vor dem Flugloch. Mit einem Male geraten sie in Aufregung, und in einem tollen Wirbel durcheinander fliegend erhebt sich eine Wolke von Bienen in die Lüfte.
Etwa die Hälfte der Stockbewohner, mit ihnen die alte Königin, verlassen ihre Behausung. Zunächst fliegen sie nicht weit. An einem Baumast oder ähnlichem sammelt sich die Bienenwolke und setzt sich um die Königin herum zu einer dichten "Schwarmtraube" zusammen. Jetzt ist der Moment, wo der wachsame Imker den Schwarm mit geringer Mühe in eine neue, leere Bienenwohnung bringt und sich ihn sichert. Wartet man zu lange, ist der Schwarm weg. Denn während dieser in stiller Muße am Ast hängt, sind Kundschafter (Spurbienen) eifrig am Werke, um eine geeignete Unterkunft ausfindig zu machen, etwa einem hohlen Baum oder einem leeren Bienenkasten auf einem oft weit entfernten Stand. Sie machen jetzt den Schwarm mobil und schicken ihn von seiner ersten Raststätte fort, die Schwarmtraube löst sich auf und zieht wieder als Wolke dahin, von den Spurbienen in ihr neues Heim gewiesen.
Im alten Stock sind die zurückgebliebenen Bienen nun ohne Oberhaupt. Aber nach wenigen Tagen schlüpft die erste von den jungen Königinnen aus. Jungfräulich der Zelle entstiegen, bedarf es der Begattung, bevor sie mit der Eiablage beginnt. Drohne sitzen zwar mehr als genug für die Königin auf den Waben herum, aber im Inneren eines Bienenstockes interessieren sich beide überhaupt nicht füreinander. Das ist auch gut so, denn es würde zu schädlicher Inzucht führen. Etwa eine Woche nach dem Verlassen ihrer Brutzelle, unternimmt die junge Königin ihren Hochzeitsflug und vereint sich in den Lüften mit mehreren Drohnen.
Die Königin kann den Hochzeitsflug in den folgenden Tagen wiederholen. Hernach wird sie die tugendsame Bienenmutter die nie mehr das Heim verlässt, es sei denn, dass sie zu einem späteren Zeitpunkt, wieder durch eine junge Königin enttront, mit einem neuem Schwarm zum Flugloch hinauseilt.
Und was ist aus den Königinnen in den anderen Zellen geworden?
Wenn das Volk in diesem Jahr nur einen Schwarm entlässt, dann leben sie nicht mehr. Die zuerst geschlüpfte Königin hat alle anderen Königinnenzellen aufgebissen und persönlich ihre Schwestern erstochen, gleichgültig, ob sie schon geschlüpft, oder noch als Puppen in ihren Zellen ruhten. Wenn die Stimmung des Volkes aber einen weiteren Schwarm plant, dann schützen die Arbeiterinnen die übrigen Königinnen vor angriffen der Erstgeborenen. Ein eigenartiger Wechselgesang ertönt jetzt im Bienenstock. Die freie Königin lässt ein "Tüten" hören, und auch die noch in ihren Zellen Eingeschlossenen geben gleichartige Lautäusserungen von sich, die aus ihrer Zelle wie ein dumpfes "Quaken" heraustönen.
Bienen könne zwar nicht hören wie der Mensch, und das "Tüten" vom "Quaken" nicht unterscheiden. Aber durch ihren fein entwickelten Tastsinn sind sie imstande, jene Lautäusserungen wahrzunehmen und wenn man die Töne künstlich erzeugt, kann man sich im Wechselgesang eines Frage -und Antwortspieles mit einer Bienenkönigin unterhalten. Auch geruchliche Reize sind daran beteiligt, dass die jungen Königinnen vom vorzeitigen Schlüpfen abgehalten werden. Sie merken in ihren Zellen, wenn die Rivalin mit einem neuen Schwarm davongezogen ist. Dann schlüpfen sie aus ihren Wiegen. Eine bleibt als Stockmutter im Volk, die anderen werden gemordet. Bisweilen gehen noch mehr Schwärme ab, und entsprechend mehr Königinnen treten in ihre Rechte.
Obwohl kein Mensch zusehen konnte, sind die Naturforscher überzeugt, dass im Laufe der Erdgeschichte die hochorganisierten Tiere aus niedrigeren Formen hervorgegangen sind. So muss auch der Bienenstaat etwas allmählich Gewordenes sein. Man kennt heute keine lebenden staatenbildenten Insekten, die man als unmittelbare Vorfahren der Honigbiene betrachten kann. Aber es gibt in ihrer Verwandschaft auch einsam lebende Arten, manche mit ersten Andeutungen sozialer Instinkte und ferner koloniebildender Formen auf verschiedenen Höhen der staatlichen Organisation. Diese Zwischenstufen sind, so wie sie heute leben, gewiss nicht Sprossen jener erdgeschichtlichen Leiter, die unsere Honigbienen emporgeklommen sind. Auch sie haben sich in langen Zeiträumen gewandelt. Aber es handelt sich um Seitenlinien von geringerer Vollkommenheit, die uns nur ahnen lassen, auf welchen Weg die Honigbiene zu ihrer überragenden Entwicklung gekommen sein kann.
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